Bauen im lärmbelasteten Gebiet

Lärmmindernde Strassenbeläge, Temporeduktion, Lärmschutzwände und Schallschutzfenster – mit solchen Massnahmen versucht das Tiefbauamt, die bernische Bevölkerung vor gesundheitsschädlichem Lärm an Kantonsstrassen zu schützen. Ein grosses Potenzial besteht aber auch in der Gestaltung der einzelnen Gebäude. Aus diesem Grund macht der Gesetzgeber für Neubauten und Umbauten klare Vorgaben zum Schutz vor Lärm.
Wer ein Haus neu bauen oder umbauen möchte, muss vielen Anforderungen gerecht werden. Eine davon ist der Lärmschutz. Gesundheitlich notwendige Lärmschutzmassnahmen kollidieren heute jedoch oft mit der raumplanerisch gewollten Verdichtung nach innen, aber auch mit dem Bestreben, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen sowie kompakte, energieeffiziente Gebäude zu bauen. Dies führt vor allem beim Bauen in lärmbelasteten Gebieten immer häufiger zu Lärmproblemen und Zielkonflikten, denen sich Bauherren ausgesetzt sehen.
Hauseigentümer XY plant den Umbau seiner Liegenschaft an attraktiver Zentrumlage. Der beauftragte Architekt legt sich ins Zeug und entwirft nach allen Regeln der architektonischen und städtebaulichen Kunst ein Gebäude mit durchdachten Grundrissen für Gewerberäume und Wohnungen. Das Projekt trägt allen Bedürfnissen Rechnung. Fast allen: Nicht bedacht hat der Architekt nämlich, dass die Schlafzimmer in den Obergeschossen und die Wohnküche direkt gegen die vielbefahrene Kantonsstrasse gerichtet sind – mit der Konsequenz, dass für diese Räume die Grenzwerte der Lärmschutzverordnung nun nicht eingehalten werden. Diese sind nämlich für sogenannt lärmempfindliche Räume besonders streng. Darunter fallen etwa Wohn- und Schlafzimmer, grössere Wohnküchen, Kitas, Schul- oder Hotelzimmer.
Wenn Lärmschutz plötzlich zum Thema wird
Solche oder ähnliche Fälle kommen immer wieder vor, sagt Anic Werder Picuasi, Co-Leiterin der Fachstelle Lärmschutz im Tiefbauamt des Kantons Bern. «Teilweise geht die Lärmschutzproblematik im Baubewilligungsverfahren schlicht vergessen.» Zum Thema wird der Lärmschutz manchmal erst dann, wenn sich die Bewohner der Liegenschaft beschweren oder es zu häufigem Mieterwechsel kommt. Dann kommt plötzlich die Frage auf, wer denn nun für den nach dem Gesetz vorgeschriebenen Lärmschutz verantwortlich ist: Derjenige, der gebaut hat oder derjenige, der den Lärm verursacht resp. verantwortet, im genannten Fall also der Kanton als Eigentümer der Kantonsstrasse?
Die Weichen werden bei der Baubewilligung gestellt
«Lärmprobleme lassen sich im Nachhinein kaum mehr lösen oder es müssen teure und aufwendige Massnahmen getroffen werden», sagt Werder Picuasi. Das entscheidende Instrument, das diesen Konflikt kreieren oder verhindern kann, ist die Baubewilligung. Die Lärmschutzverordnung hält fest, dass eine Baubewilligung für Neubauten oder für wesentliche Änderungen an bestehenden Bauten mit lärmempfindlichen Räumen nur dann erteilt werden darf, wenn die Immissionsgrenzwerte eingehalten sind. In der Pflicht steht also die Leitbehörde für Baubewilligungen, die Gemeinde oder das Regierungsstatthalteramt. Martin Beusch, Co-Leiter der Fachstelle Lärmschutz, räumt aber ein, dass bei Baugesuchen, bei denen der Strassenlärm eine Rolle spielt, immer auch das Tiefbauamt einbezogen wird, entweder der Oberingenieurkreis (bei Kantonsstrassen) oder die Fachstelle Lärmschutz (bei National- und Gemeindestrassen). «Es liegt also an uns, zu reagieren, wenn wir bei einem Baugesuch ein Lärmproblem orten», sagt Beusch.
Zumindest bei grösseren Projekten kann sich die Behörde in der Regel auf ein Lärmgutachten stützen, das der Bauherr durch einen Akustiker erstellen liess. Im Zweifelsfall wird ein solches von den Behörden verlangt. Ein solches Gutachten enthält meist auch Vorschläge, wie die Lärmproblematik in den Griff zu bekommen ist. «Stellen wir bei einem Neubau- oder Umnutzungsprojekt dennoch eine problematische Lärmsituation fest, weisen wir im Fachbericht darauf hin und verlangen eine Verbesserung der Situation.»

Optimieren statt verhindern
Bei der Beurteilung von Baugesuchen versucht die Fachstelle Lärmschutz eine möglichst klare Linie zu verfolgen. Die Lärmgrenzwerte müssen an allen Fenstern von lärmempfindlichen Räumen eingehalten werden. Ist das nicht so, braucht es Massnahmen. In stark lärmbelasteten Gebieten ist die Einhaltung der Grenzwerte trotz Ausschöpfen aller verhältnismässigen Massnahmen oft nicht möglich. In diesem Fall kann durch die kantonale Fachstelle eine Ausnahme genehmigt werden. Dafür ist aber ein Nachweis nötig, dass ein anderes Interesse jenes nach Lärmschutz überwiegt. «Unsere Hauptaufgabe ist es, die Bevölkerung möglichst gut vor Strassenlärm zu schützen», sagt Beusch, «wir halten uns an die gesetzlichen Bestimmungen und können nicht nach Gutdünken Ausnahmen bewilligen.»
Bundesgerichtsentscheide sind wegweisend
Massgebend ist dabei auch die Praxis des Bundesgerichts. Dieses hat in jüngster Zeit einige wegweisende Entscheide gefällt, meist zugunsten der Lärmbetroffenen. Obschon die Vorgaben für den Lärmschutz also für Bauwillige eher verschärft worden sind, legt Beusch Wert darauf, dass das Tiefbauamt nicht als «Verhinderungsbehörde» wahrgenommen wird: «Wir sagen nicht einfach nein, sondern suchen immer auch den Dialog mit Planern und Architekten. Es geht darum, gute, pragmatische Lösungen zu finden. Das ist umso einfacher, je früher das Thema Lärmschutz in einem Projekt einbezogen wird.»
Bauherren und Architekt/innen sensibilisieren
Hier sieht die Fachstelle Lärmschutz denn auch den entscheidenden Ansatz beim Bauen im lärmbelasteten Gebiet. Während in vielen Projekten, vor allem den grösseren, die Lärmproblematik von Anfang an vorbildlich in die Planung integriert wird, geht der Strassenlärm bei anderen Projekten noch vergessen. «Gerade bei kleinen Bauvorhaben, Einfamilienhäusern oder bei der Umnutzung eines Dachgeschosses stehen andere Fragestellungen im Vordergrund», sagt Martin Beusch, «dort geht es darum, Bauherren und Architekt/innen für die Lärmproblematik zu sensibilisieren.»


Das Thema zieht Kreise
Der «Cercle Bruit Schweiz», die Vereinigung kantonaler Lärmschutzfachleute, setzt sich seit Jahren dafür ein, die Anforderungen ans Bauen in lärmbelasteten Gebieten in Fachkreisen zu thematisieren. Sie hat dazu eine Vollzugshilfe erarbeitet, die sich an Bauherren und Architekten richtet. Das gleiche Zielpublikum hat eine Website, die der «Cercle Bruit Schweiz» zusammen mit der Zürcher Fachhochschule lanciert hat: baukultur-laerm.ch. Hier findet man unter anderem auch Tipps, welche Grundsätze beim Planen und Bauen zu beachten sind. Einiges davon hat sich bereits auf breiter Front durchgesetzt. So etwa das Prinzip des Lärmriegels an stark befahrenen Strassen oder Bahnlinien. Gemeint ist damit eine Gebäudefront mit weniger lärmempfindlichen Nutzungen, welche dahinterliegende Wohngebäude und deren Aussenräume vor Lärm abschirmt.
Viel erreicht werden kann auch mit einer geschickten Anordnung und Dimensionierung der Gebäude. So kann z. B. mit einer geschlossenen Gebäudeform ein ruhiger Innenhof geschaffen werden. Weitere Massnahmen setzen bei den Grundrissen der Innenräume an, indem lärmempfindliche Räume wie Wohn- und Schlafzimmer auf der strassenabgewandten Seite des Gebäudes angeordnet werden. Richtig ausgestaltete Balkone und Loggien können die Lärmimmissionen bei den dahinterliegenden Fenstern reduzieren. Die Brüstung nimmt dabei die Wirkung einer Lärmschutzwand ein.
Solche und weitere Massnahmen versuchen Anic Werder Picuasi und Martin Beusch ins Spiel zu bringen, wenn wieder einmal ein Baugesuch auf ihren Schreibtisch kommt, das an den Lärmgrenzwerten knabbert. «Es gibt heute durchaus viele Architekt/innen, welche der Lärmproblematik mit kreativen Lösungen begegnen, andere warten eher noch mit ‘Pflästerli-Lösungen’ auf», zieht Anic Werder Picuasi eine Bilanz. Eines ist klar: Geschickt und lärmoptimiert geplante Wohn- und Gewerbebauten verhindern kostspielige Lärmsanierungen von Strassen.

Weiterführende Informationen zum Thema
- baukultur-laerm.ch
Diese Plattform bietet Architektinnen und Architekten kompakte Arbeitshilfen zum Bauen an lärmbelasteten Lagen und stellt beispielhafte Bauwerke vor. Gemeinsam entwickelt haben diese Website der Cercle Bruit Schweiz und das Institut Konstruktives Entwerfen der ZHAW. - www.bauen-im-laerm.ch
Die Plattform «Bauen im Lärm» bietet Fachleuten, die sich mit dem Thema eingehend befassen wollen, detaillierte Informationen. Initianten der Plattform sind mehrere Kantone und Städte, darunter auch der Kanton Bern.
Anforderungen an Bauzonen und Baubewilligungen in lärmbelasteten Gebieten

Im Gespräch: «Lärmschutz beim Bauen muss zur Erfolgsstory werden»

Wie gehen Bauherren und Architekten mit dem Lärmschutz um? «Das Thema ist bei uns Architekten omnipräsent», sagt ETH-Architekt Piet Eckert und wehrt sich im Interview für seinen Berufsstand. Seine Gesprächspartner Anic Werder Picuasi und Martin Beusch von der Fachstelle Lärmschutz im Tiefbauamt des Kantons Bern werden aber auch immer wieder mit Baugesuchen konfrontiert, wo Nachbesserungen nötig sind.
Herr Eckert, sind Bauherren und Architekten auf Lärmfragen zu wenig sensibilisiert?
Piet Eckert: Das tönt, als würden Architekten die Lärmproblematik ausblenden. Das Gegenteil ist der Fall: Lärm ist bei uns Architekten ein omnipräsentes Thema. Von der ersten Skizze bis zur Ausführung sind wir uns ständig mit Lärmfragen konfrontiert. Wer sich damit nicht intensiv auseinandersetzt, erleidet mit seinem Projekt garantiert Schiffbruch. Und wer behauptet, dass wir Architekten uns nur um toll gestaltete Gebäude und um schöne, lichtdurchflutete Räume kümmern, hat ein völlig falsches Bild unseres Berufsstandes.
Frau Werder Picuasi, Herr Beusch, welches sind die häufigsten Mängel, die Sie bei der Beurteilung von Baugesuchen punkto Lärmschutz antreffen?
Anic Werder: Wir sehen die ganze Bandbreite von Baugesuchen: Ich gebe Herrn Eckert recht, dass der Lärmschutz bei grösseren Projekten früh ein Thema und meist gut gelöst ist. Aber wir haben halt auch kleine Projekte wie z. B. den Umbau eines Dachgeschosses zu beurteilen. Und hier stellen wir fest, dass der Lärm bisweilen vergessen geht und wir als Behörden zu spät involviert werden.
Martin Beusch: Das führt dann zu unbefriedigenden «Pflästerli-Lösungen», indem man noch irgendetwas nachbessert, um die Grenzwerte doch noch einzuhalten. Ich schätze, dass wir als Lärmfachstelle etwa bei der Hälfte der Gesuche etwas beanstanden müssen.
Eckert: Wir messen unsere Arbeit nicht an den schwarzen Schafen unserer Branche. Wir verstehen die Lärmfachstelle nicht nur als Kontroll- und Bewilligungsbehörde, sondern auch als Beratungsstelle. Ziel muss es doch sein, dass wir zusammen gute Lösungen entwickeln, dass Lärmschutz zur Erfolgsstory wird.
Beusch: Genau diese Rolle wünschen wir uns: Als beratende Fachstelle, die zu bestmöglichen Lärmlösungen beiträgt, und nicht als Kontrollinstanz, die im letzten Moment Mängel beanstanden muss. Das bedingt aber eben, dass wir in kritischen Fällen frühzeitig einbezogen werden.
Welchen Stellenwert hat Lärmschutz in der Ausbildung von Architekten?
Eckert: Ich bin selber in der Ausbildung tätig. Es ist die Aufgabe der Hochschulen, den Studierenden ein umfassendes Bild dieses tollen Berufs zu vermitteln. Wir wollen ihnen Werkzeuge und Methoden mitgeben, die sie befähigen, mit den immer komplexeren Anforderungen zurecht zu kommen, die sich beim Planen und Bauen heute stellen. Sie müssen lernen, mit Zielkonflikten und Widersprüchen umzugehen. Das gehört heute zur Kunst unseres Berufes. Architekten sind nicht einfach alles Schöngeister!
Welche Rolle spielt der Lärmschutz bei diesen komplexen Aufgabenstellungen?
Eckert: Lärm ist eine Thematik, die unsere Gesellschaft auf allen Ebenen durchdringt. Klar, dass das unsere Arbeit beeinflusst. Dieser Herausforderung stellen wir uns seit je. Allerdings erlebe ich die derzeitige Situation auf rechtlicher Ebene in Sachen Lärmschutz als sehr unbefriedigend. Das Bundesgericht hat in den letzten Jahren mehrmals Entscheide getroffen, die ich als problematisch erachte. Architektonische und städtebauliche clevere Konzepte im Umgang mit Lärm wurden so immer wieder über den Haufen geworfen, weil dem Lärmschutz alles untergeordnet wird. Die strenge Auslegung der Lärmvorschriften leistet auch Einsprachen Vorschub, die unter dem Deckmantel des Lärms ein Projekt verzögern oder verhindern wollen.
Werder: Die Gefahr des Missbrauchs ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Wenn der Nachbar gegen ein Bauprojekt klagt, weil er ein Überschreiten der Lärmgrenzwerte vermutet oder eine Ausnahmebewilligung als ungerechtfertigt erachtet, so geschieht das nicht immer aus Sorge um die künftige Bewohnerschaft, sondern aus Eigennutz.
Hat der Lärmschutz aus Ihrer Sicht ein zu grosses Gewicht, Herr Eckert?
Eckert: Verstehen Sie mich nicht falsch: Lärmschutz ist wichtig, denn er dient der Gesundheit der Menschen. Aber neben dem Lärm dürfen andere Kriterien nicht untergehen.
Was wäre die Lösung?
Eckert: Als Grundlage für eine Interessenabwägung braucht es eine rechtliche Bewertungsmatrix, die aufzeigt, wie die einzelnen Gesetze miteinander im Verbund stehen. Eine solche existiert heute nicht. Es geht doch heute darum, dass man alles dafür tut, um auch punkto Lärmschutz ein möglichst gutes Projekt zu entwickeln. Die heutige Rechtssituation verhindert das eher, als dass sie es fördert. Da gehen zum Teil hervorragende, mit den Behörden ausgehandelte Projekte vor Gericht verloren, obschon sie beispielhaft mit dem Lärm umgehen. So lässt sich innere Verdichtung niemals umsetzen.
Was bedeuten solche Gerichtsentscheide für die Behörden?
Beusch: Sie machen unsere Arbeit nicht einfacher. Das Ändern der Spielregeln führt selten zu besseren Lösungen. Vor Gericht geht es ja vielfach um Ausnahmebewilligungen, die eingeklagt werden. Was dazu führt, dass alle Alternativen nochmals geprüft und dokumentiert werden müssen. Das generiert grossen Aufwand für alle und ist wenig zielführend. Wir als Fachstelle sind bestrebt, hier Gegensteuer zu geben und nur dann Zusatzunterlagen einzufordern, wenn wir es auch wirklich als nötig erachten.
Herr Eckert, Sie sind im Projekt Wankdorf City 3 engagiert, wo im Berner Nordquartier Wohn- und Dienstleistungsflächen entstehen. Wie geht man in diesem von Autobahn und Eisenbahn eingefassten Areal mit dem Lärm um?
Eckert: Klar spielt der Lärmschutz hier eine grosse Rolle. Das von Rolf Mühlethaler entwickelte Konzept für Wankdorf City 3 nimmt das Prinzip der «gestapelten Stadt» auf – mit übereinander statt nebeneinander angeordneten Gebäuden. Durch geschickte Anordnung der Baukörper lassen sich so Bereiche schaffen, die vor dem grossen Umgebungslärm abgeschirmt sind, z. B. Wohnräume, Terrassen, Ruhe- und Spielflächen. Wir stehen in diesem Projekt erst in der Phase Vorprojekt.
Aber der Akustiker ist bestimmt bereits an Bord?
Eckert: Das beauftragte Akustikbüro ist seit dem Tag 1 im Projekt dabei und beurteilt jeden Planungsschritt aus der Lärmoptik. Da geht es um viel mehr, als irgendwann mal ein Lärmgutachten zu verfassen.
Wie wird in einem solch grossen Projekt der Kontakt zu den Behörden organisiert?
Eckert: Das läuft über den Generalplaner, der periodisch Behördengänge organisiert. Da geht es dann nicht nur um Lärm, sondern auch um tausend andere Themen wie Mobilität, Retention, Biodiversität und vieles mehr. Alles Sachen, die auch bewilligungsrelevant sind.
Werder: Ich kann bestätigen, dass das bei Wankdorf City 3 vorbildlich läuft. Das Akustikbüro hat mit uns und der Stadt bereits einen Entwurf des Lärmgutachtens durchbesprochen.
Machen Wohnbauten an einer solch lärmexponierten Lage denn überhaupt Sinn?
Eckert: Vor 30 Jahren hätte man dort wohl keine Wohnungen gebaut. Heute ist knapper Wohnraum aber zur sozialen Frage geworden. Deshalb müssen wir darüber nachdenken, wie sich auch an lärmexponierten Lagen attraktive Wohnungen bauen lassen. Das ist ein höchst anspruchsvoller Prozess. Wankdorf City 3 ist eines der komplexesten Projekte, in das ich je involviert war.


Projektinformation
Bernstrasse Deisswil – Eine Sanierung mit neuen Kreiseln und viel Grün

Deisswil liegt im Osten der Stadt Bern und hat morgens und abends viel Pendlerverkehr zu bewältigen. Zwischen Deisswil und dem Ortseingang Ostermundigen kommen sich Auto-, Velo- und Fussverkehr öfters in die Quere. Vor allem die Knoten sind konfliktträchtig. Mit der Sanierung der Bernstrasse will der Kanton ab 2024 diese Sicherheitsdefizite beheben.

Das Sanierungsprojekt sieht zwei neue Kreisel vor: Jener beim Knoten «Stützli» wird die heikle Abbiegesituation beim Abzweiger Ostermundigen entschärfen. Der andere Kreisel (Schwandiweg) ist 200 Meter weiter östlich geplant. Er dient der Haupterschliessung des Bernaparks, wo im Gebäudekomplex der früheren Kartonfabrik ein neues innovatives Quartier am Entstehen ist. Im Endausbau wird der Bernapark 173 Wohnungen anbieten und Gewerbebetriebe mit rund 500 Arbeitsplätzen beheimaten. Dass diese Nutzungen Verkehr generieren, leuchtet ein. Deshalb ist das Sanierungskonzept auf die zukünftige Arealentwicklung des Bernaparks ausgerichtet.

Ein Güterweg mit Multifunktion
Der Sanierungsabschnitt ist Teil der Velohauptroute Worblental, die werktags zunehmend von Velopendlern und am Wochenende vom Velofreizeitverkehr befahren wird. Dem Ausbau und der Sicherung des Veloweges kommt deshalb besondere Bedeutung zu. Geplant ist ein separater, 3 Meter breiter Güterweg, der vor allem als Geh- und Veloweg, aber auch landwirtschaftlichen Fahrzeugen dient. Der Weg wird südlich entlang der Bernstrasse angelegt und wird von dieser durch einen Grünstreifen abgetrennt sein.
Mehrzweckstreifen erleichtert das Abbiegen
Im Innerortsbereich von Deisswil (zwischen Restaurant Ziegelhüsi und RBS-Bahnübergang) wird der Strassenquerschnitt aufgeweitet, um einen 2,5 Meter breiten Mehrzweckstreifen zu schaffen. Dieser ermöglicht ein sichereres Linksabbiegen, was wiederum dem Bernapark-Areal zugutekommt, welches auch von dieser Seite her erschlossen wird.

Neue Bäume und Grünflächen
Bäume sind ein zentrales Gestaltungselement der sanierten Bernstrasse. Vorgesehen sind 17 neue Bäume. Die meisten davon werden im Bereich des Kreisels «Stützli» gepflanzt. Die Linde bei der Einmündung der Gümligentalstrasse bleibt erhalten. Die Grünflächen und das Bankett beidseits der Strasse sind auf ein Minimum beschränkt, um das angrenzende Kulturland möglichst wenig einzuengen. Der Grünstreifen zwischen Fahrbahn und dem Geh- und Veloweg soll mit magerem, artenreichem Substrat angesät werden, um den Unterhaltsaufwand zu reduzieren.


Bauarbeiten im 2024
Die Kosten des Projekts belaufen sich auf 7,5 Mio. Franken. Der Ausführungskredit für die Sanierung der Bernstrasse wurde im Oktober 2022 vom Regierungsrat genehmigt. Realisiert wird das Vorhaben voraussichtlich ab Frühjahr 2024.

Projektinformation
Das Tiefbauamt spart Energie

Die drohende Energiemangellage lässt das Tiefbauamt nicht kalt. Kälter wird es deshalb in Büros, Werkhallen und Garagen. Und auch sonst ist Energieeffizienz im Tiefbauamt ein wichtiges Thema – nicht erst seit der Mangellage.
Maximal 20 Grad Celsius im Büro, 17 Grad in Werkhallen und Werkstätten, 7 Grad in Lagern und Garagen. Das sind die Vorgaben, die der Regierungsrat Mitte September seinen Verwaltungsstellen vorgegeben hat. Angesetzt wird nicht nur im betrieblichen Bereich, sondern auch bei den Mitarbeitenden selber. So ist der Gebrauch von privaten Heizgeräten in Büroräumlichkeiten verboten. Auf den Toiletten ist das Warmwasser abgestellt. Fenster und Rollläden sollen nachts und übers Wochenende konsequent geschlossen und auf das Dauerlüften und Kippen von Fenstern soll verzichtet werden. Licht und alle elektronischen Geräte gilt es bei Nichtgebrauch komplett auszuschalten. Es handelt sich um ein erstes Massnahmenpaket mit konkreten Energiesparmassnahmen für die Kantonsverwaltung, die auch das Tiefbauamt umsetzt.
Energiesparen im Strassenunterhalt hat Grenzen
Allerdings gilt es bei allen Sparmassnahmen auch den Auftrag im Auge zu behalten, den das Tiefbauamt zu erfüllen hat: nämlich den Betrieb der Strasseninfrastruktur und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Im Strassenunterhalt stossen Sparmassnahmen deshalb an Grenzen: Der Fahrzeugpark in den Werkhöfen muss jederzeit und sofort einsatzfähig sein, ob fürs Schneeräumen und Salzen, für Reparaturen an der Strasse oder für die Sicherheitsholzerei. Damit Hydraulik und Nebenaggregate der Unterhaltsfahrzeuge zuverlässig funktionieren, braucht es in Garagen und Werkhallen eine minimale Temperatur. Damit ein Camion oder Lastwagen betankt werden kann, sind elektrische Pumpen erforderlich. Das Gleiche gilt für das Füllen der Unterhaltsfahrzeuge mit Streusalz oder Salzsole. Auch die Salzsilos können nur gefüllt werden, wenn Strom zur Verfügung steht. Und klar: Wie überall muss heute auch im Strassenunterhalt die Informatik funktionieren.

Was, wenn sich die Energiemangellage dereinst noch zuspitzen sollte? «Dann werden wir unsere Tätigkeit auf das für die Verkehrssicherheit Notwendige fokussieren müssen», sagt Stephan Breuer, stellvertretender Amtsvorsteher. Im Strassenunterhalt würde das z. B. bedeuten, dass der Schnee auf wenig befahren Strassenzügen seltener oder gar nicht mehr geräumt würde – damit die Hauptverbindungen bei knappen Ressourcen sicher befahrbar bleiben. Oder dass z. B. Schäden an Wegweisern nicht mehr repariert oder entlang der Strassen weniger geholzt würde. «Letztlich sind wir beim Beschaffen von Strom, Diesel, Benzin und Salz auf funktionierende Lieferketten angewiesen», sagt Breuer. Volle Tanks und volle Lager sind da wichtig. «Aber die letzten Meter – vom Silo und der Zapfsäule in die Camions und Unimogs – die müssen wir selbst im Griff haben.»
Stromsparen bei der Strassenbeleuchtung
Ein grosses Stromsparpotenzial besteht bei der Strassenbeleuchtung. Seit mehreren Jahren ist das Tiefbauamt daran, die insgesamt 25 000 Strassenlampen entlang der bernischen Kantonsstrassen mit intelligent gesteuerten LED-Leuchten zu ersetzen. Diese verbrauchen wesentlich weniger Strom als herkömmliche Leuchten oder starr geregelte LEDs und sind erst noch langlebiger. 13 000 Leuchten, also mehr als die Hälfte, sind mittlerweile auf «Licht nach Bedarf» umgerüstet. Damit können pro Jahr rund 10 Millionen Kilowattstunden eingespart werden, was in etwa dem Stromverbrauch von rund 2500 Haushaltungen entspricht. Ziel des Tiefbauamts ist es, weiterhin jährlich 1500 Leuchten umzurüsten.
Licht nach Bedarf – so funktioniert es
Das Sparpotenzial liegt bei der Strassenbeleuchtung nur zum kleinen Teil im Leuchtmittel LED selber, vielmehr beim sparsamen Einsatz der Beleuchtung. «Licht nach Bedarf» heisst das Stichwort: Weil LED-Leuchten rasch und einfach dimmbar sind, lassen sie sich mit intelligenter Technik steuern. Moderne LED-Strassenlampen liefern genau dort und dann Licht, wenn es gebraucht wird. Sind keine Strassennutzer unterwegs, brennt eine minimale Orientierungsbeleuchtung. Kommen Autos, Velos oder Fussgänger in den Umkreis der Leuchten, wird es heller. Da die Leuchten mit ihren Nachbarleuchten kommunizieren, leiten sie die Kontaktmeldung an diese weiter, die dann zu gegebener Zeit ebenfalls hochdimmen. So bildet sich eine Art Lichtteppich, der dem Strassennutzer vorauseilt.

Energieeffizienz und ökologische Ansätze
«Energieeffizienz ist im Tiefbauamt immer ein Thema», sagt Stephan Breuer. «Wir sind daran, fossile Energieträger abzulösen. Bei den Personenwagen und ersten Spezialfahrzeugen sind wir so weit – für den Rest der Fahrzeuge wird es noch ein längerer Weg.» Die Heizungen aller eigenen Gebäude und Werkhöfe werden mittlerweile mit alternativer Energie betrieben, d. h. mit Holz, Fernwärme oder Wärmepumpen. Seit 1. Februar 2022 erfolgt jede Beschaffung auch nach ökologischen Kriterien, sei es beim Material oder bei der Vergabe von Aufträgen an Bauunternehmungen oder Ingenieurbüros.
Das Tiefbauamt schickt seine Fahrer schon seit vielen Jahren in ökologische Fahrtrainings. «Anfangs wurden wir dafür belächelt – mussten uns rechtfertigen, wegen der Kurskosten», sagt Breuer. Dabei lassen sich schnell 15 % an Treibstoff einsparen, sagt Breuer, «und das kann jeder auch in seinem Privatauto – ab sofort und ohne Investitionen.»
Das Grüngut aus dem Strassenunterhalt wird wo immer möglich an Biogasanlagen abgegeben, die daraus wieder Energie gewinnen.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist auch der Salzeinsatz, wo das Tiefbauamt Geräte einsetzt, die eruieren können, wie viel Restsalz noch auf der Strasse liegt. So lässt sich der Salzverbrauch optimieren.
Und nicht zuletzt besteht ein wichtiger «ökologischer Hebel» beim Tiefbauamt natürlich auch bei der Strassenplanung und -gestaltung sowie im naturnahen Wasserbau und Gewässerunterhalt.