Wasserbau: Mit Holz Lebensräume schaffen

Fast ein Viertel unserer Flussstrecken und Bachläufe sind verbaut, was Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat. Mit Hilfe von Gewässerrevitalisierungen können wertvolle, attraktive Lebensräume für Natur und Mensch geschaffen werden. Holz als CO2-neutraler Baustoff dient dabei sowohl der Ökologie als auch dem Erosionsschutz.
Abgefallene Äste, Baumstämme und Wurzelstöcke, die im Gerinne liegen, werden in der Gewässerökologie als «Totholz» bezeichnet. Grosse Totholzelemente wie Baumstämme oder ganze Bäume sind Fänger für Schwemmholz, Laub und Kies. Sie nehmen eine Schlüsselfunktion bei der Bildung grosser und komplexer Totholzstrukturen ein. Beim Einsatz im Wasserbau wirkt sich das Holz im Wasser positiv aus, indem es die Strukturbildung im Gerinne unterstützt (z. B. Laichplätze), die Strömungsvariabilität erhöht, hohe Fliessgeschwindigkeiten dämpft, strömungsberuhigte Zonen und schneller fliessende Bereiche bildet sowie die Ufererosion fördert oder auch mildert (Uferschutz). Durch Totholzstrukturen zurückgehaltenes organisches Material dient zudem als Nahrungsquelle für wirbellose Kleintiere. Die Wirkungsanalyse bereits umgesetzter Massnahmen und das Sammeln von Erfahrungen ist sehr wichtig, um Strukturen fortlaufend zu verbessern und zu optimieren. Solche Strukturierungsmassnahmen wurden nicht nur vom Tiefbauamt des Kantons Bern im Löchligut in Worblaufen, sondern auch auf Gemeindeebene umgesetzt, wie z. B. im Könizer Scherlibach, in der Sense bei der Ruchmühle oder in der Kander.



Einsatz von Holz als Erosionsschutz
Holz kann im Wasserbau aber auch beim Bau von Schutzmassnahmen verwendet werden: Eine wilde Holzbuhne - wie sie im Abschnitt der Aare im Belper Farhubel gebaut wurde - bietet durch ihre vielfältigen Strukturen im Niederwasserbereich wertvolle Fischunterstände und aquatische Habitate. Mit der Holzbuhne kann eine gewässernahe Beschattung mit standortheimischen Gehölzen erreicht werden, deren Wurzeln mittelfristig die Funktionalität des Holzgerüstes ersetzen und den Erosionsschutz des Ufers sicherstellen. Ziel ist, dass eine naturnahe, selbsterhaltende und zudem CO2-neutrale Konstruktion erschaffen wird. Die Technik dieser wilden Holzbuhnen stammt aus Nordamerika und ist auch unter dem Namen «Engineered Log Jam» bekannt. Frei übersetzt bedeutet dies «bautechnisch erstellter Baumstammhaufen». An der Aare in Belp muss dieser Baumstammhaufen trotz allem die Funktion einer Buhne erfüllen, daher wird der Begriff «wilde Holzbuhne» verwendet.

Balanceakt zwischen Naturschutz und Naherholung
Das Bedürfnis nach Naherholung muss bei Revitalisierungsprojekten berücksichtigt werden. «Eine gute Balance für alle, die den Flussraum nutzen, muss in die Planung einfliessen», erklärt Warin Bertschi. «Wir befinden uns immer im Spagat zwischen Freizeitnutzung und natürlichem Gewässer, bei dem das richtige Mass gefunden werden muss, so dass schlussendlich alle profitieren.»
Erforderliche Holzfällarbeiten vor der Revitalisierung
Wenn das Tiefbauamt an und in der Aare baut, muss meist zuerst die Bepflanzung - zumindest teilweise – entfernt werden. Das stösst bei der Bevölkerung oft auf Unverständnis. Bertschi erklärt: «Als Tiefbauamt sind wir dafür verantwortlich, dass die Ufer der Aare so stabil sind, dass die dahinter liegenden Siedlungen und Infrastrukturanlagen vor Hochwasser geschützt sind.» Um dies gewährleisten zu können, sind deshalb von Zeit zu Zeit grössere bauliche Eingriffe und entsprechende Holzschläge nötig. Um Verständnis für die notwendigen Eingriffe zu erreichen, sei die Projektkommunikation enorm wichtig. «Nach dem Eingriff pflanzen wir naturnahe, standortgerechte Sträucher und Bäume, damit sich rasch wieder ein attraktiver Lebensraum für Natur und Mensch entwickeln kann.»
Häufig kann ein Teil des geschlagenen Holzmaterials sogar direkt im Rahmen des Projekts verwendet werden. Dies wirkt sich positiv auf die Kosten aus. Auch wenn Holz nachhaltiger ist als Blocksteine, ist die langfristige Wirtschaftlichkeit noch unklar. Es bleibt abzuwarten, ob sich Holzkonstruktionen wie am Farhubel, die eine Blockbuhne aus Blocksteinen ersetzen, langfristig bewähren. Eine abschliessende Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ist laut Bertschi noch nicht möglich.


Im Gespräch: «Wichtige Erfahrungen mit Totholzeinbauten gesammelt»

Rolf Fuchs, Leiter Landschaft der Gemeinde Köniz und Bruno Gerber, Projektleiter Wasserbau OIK II, ziehen Bilanz über das Revitalisierungsprojekt am Scherlibach. Das Anfang 2017 abgeschlossene Projekt wurde durch den Renaturierungsfonds des Kantons Bern finanziert und war ein Schweizer Pilotprojekt. 270 m³ Totholz wurden auf 650 m Flusslänge eingebaut, um das Schwemmholz zurückzuhalten und ökologisch wertvolle Lebensräume zu schaffen.
Herr Gerber, was genau ist ein Revitalisierungsprojekt mit Schlüsselhölzern? Welche Aufgaben haben diese?
Schlüsselhölzer sind besonders grosse und somit langlebige Totholzstrukturen mit einer Mindeststammlänge von zehn Metern und einem Mindestdurchmesser von 50 Zentimetern. Diese Strukturen dienen der Rückhaltung von Schwemmholz und schaffen dynamische, ökologisch wertvolle Lebensräume entlang des Gewässers.
Wie kam es dazu, dass sich die Gemeinde Köniz für ein Totholzprojekt am Scherlibach entschieden hat?
Fuchs: Im Jahr 2007 haben wir im Scherlibach die erste Pendelrampe der Schweiz eingebaut, mit der wir weniger Hochwasserschäden und bessere Bedingungen für Fauna und Flora erreichen konnten. Die Idee zum Totholz-Pilotprojekt entstand, als mir der Projektleiter des beauftragten Ingenieurbüros vom Einsatz und Nutzen von Totholz im Flussbau in Nordamerika erzählte.
Gerber: Der Scherlibach war durch den bestehenden Wildholzfang prädestiniert für das Pilotprojekt: Sollte sich der Totholzeinbau lösen, fängt das Netz das Holz kurz vor der Mündung des Scherlibachs in die Sense auf. Die Liegenschaften zwischen dem Wildholzfang und der Sensemündung wären bei einem Unwetter trotzdem vor Überschwemmungen geschützt.
Welche Bilanz lässt sich heute, sieben Jahre später ziehen?
Fuchs: Für uns war es wichtig, allgemeine Erfahrungen mit Totholzeinbauten zu sammeln. Der Scherlibach fliesst auf Sandstein mit Geschiebe- und Kiesablagerungen. Mit dem Pilotprojekt konnten wir herausfinden, wie sich Querverbauungen aus Holz verhalten. Wir haben festgestellt, dass es zu leichten Geschiebeablagerungen, aber nicht zu Ufererosion kommt. Die Schwellen (Holzstämme, teilweise mit Wurzelteller) wurden damals mit Metall im Fels verankert. Aufgrund der Erfahrungen würde man das so nicht mehr machen. Heute werden alle Strukturen in der Uferböschung oder mit Ankersteinen befestigt.
Gerber: Im Bereich der Holzstrukturen leben heute zwei- bis dreimal mehr Fische als vor dem Revitalisierungsprojekt. Die Fische profitieren von der schattigen Wasserlage und dem Totholz als Lebensraum. Die Wassertemperatur der Sense steigt im Sommer stark an. Für die dort lebenden Forellen sind beschattete Seitengewässer im Wald wie der Scherlibach als Rückzugsgebiet wichtig.
Gab es auch negative Projekteffektive?
Gerber: Keine negativen Auswirkungen in diesem Sinne. Wir haben aber festgestellt, dass nicht alle Arten von Strukturen die gleiche Wirkung haben - aber dafür ist ein Pilotprojekt ja da. Diese Erfahrungen fliessen nun in Folgeprojekte ein.
Wie hat die Bevölkerung das Projekt aufgenommen?
Fuchs: Grundsätzlich wurde das Revitalisierungsprojekt sehr positiv aufgenommen. Es gab nur sehr wenige kritische Stimmen. Der Scherlibach verläuft über Privatgrundstücke, deshalb war es wichtig, die Grundeigentümer abzuholen. Wir haben ihnen den Nutzen des Projekts aufgezeigt, nämlich die Verbesserungen für Flora, Fauna und Uferschutz.
Gibt es weitere Projekte mit Totholz in der Gemeinde Köniz?
Fuchs: Nach der Realisierung des Pilotprojekts Scherlibach wurden im Sulgenbach einfache, natürliche Strukturen wie Holzstrünke eingebaut, um die Fliessgeschwindigkeit zu variieren.
Gerber: Im Scherlibach läuft zudem derzeit ein zweites Revitalisierungsprojekt. Es ist eine Erweiterung des Projekts von 2017, in das die Erkenntnisse der letzten sieben Jahre und Erfahrungen aus anderen Projekten einfliessen.
Fuchs: Für die zweite Etappe werden zurzeit Bewilligungen eingeholt und Kredite beantragt. Die Umsetzung erfolgt dann hoffentlich im nächsten Winter.
Wie ist der heutige Stand bei der Verwendung von Totholz auf kantonaler oder nationaler Ebene?
Gerber: Die Revitalisierung des Scherlibachs war ein schweizerisches Pilotprojekt, zu dem die Fachwelt pilgerte. Inzwischen wird Totholz im Wasserbau auch an grösseren Gewässern eingesetzt und hat in den letzten zehn Jahren an Bedeutung gewonnen. Die Wasser-Agenda 21, das Forum und Netzwerk der Akteure der Schweizer Wasserwirtschaft, arbeitet derzeit an einem Handbuch zum Thema. Die Erfahrungen aus der Pionierphase fliessen heute in viele weitere Projekte ein. Erfreulich ist, dass die Bauwerke an der Aare und am Scherlibach auch Hochwasserereignissen mit hohen Abflüssen standhielten.
Was haben Sie aus diesem Pilotprojekt gelernt?
Gerber: Nur im Zusammenspiel von Gemeinden, Grundeigentümern, Fachstellen etc. können solche Projekte funktionieren. Der wichtigste Erfolgsfaktor sind die Menschen, die das Projekt vorantreiben.
Fuchs: Dem kann ich nur zustimmen: Es braucht einen partizipativen Prozess und überzeugungsstarke Personen.




Berner Jura: Investition in die Verkehrssicherheit

Die Kantonsstrasse Nr. 248.1 verbindet Tramelan mit La Ferrière und St-Imier und stellt eine wichtige und stark befahrene Verbindung zwischen der Schweiz und Frankreich dar. Seit Anfang der 1970er Jahre wurde die Strasse nur punktuell instand gesetzt und weist dementsprechend Schäden und Schwachstellen auf. Nun wird der Abschnitt zwischen Les Reussilles und dem Kanton Jura umfassend saniert.
Bereits vor fast 20 Jahren, im Jahr 2006, wurde das Projekt im Berner Jura vom Regierungsrat genehmigt, aber aus Budget- und Prioritätsgründen immer wieder verschoben. Seit dem Baubeginn vor gut einem Jahr werden nun endlich die Schäden und langjährigen Defizite in der Verkehrssicherheit behoben: Auf der bisherigen Streckenführung wurde trotz schlechter Sicht und einer durchschnittlichen Fahrbahnbreite von weniger als sechs Metern immer wieder überholt. Durch die engen Verhältnisse war das Kreuzen von zwei Lastwagen nicht ungefährlich. «Der sanierte Strassenabschnitt wird durch die Korrektion und Erweiterung die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden deutlich erhöhen», erklärt Projektleiter Cédric Latscha vom Oberingenieurkreis III. Im Rahmen der Sanierung wird die Fahrbahn begradigt und auf sieben Meter verbreitert. Zudem wird ein 300 Meter langer Velostreifen angelegt und der Verkehr am Ortseingang von Les Reussilles verlangsamt.


Ein Unfallschwerpunkt wird beseitigt
Die Kreuzung Mont-Crosin wird durch einen Kreisverkehr ersetzt, der die Fahrzeuge zum Abbremsen zwingt und so zur Sicherheit des gesamten Abschnitts beiträgt. Der Projektleiter erläutert: «Die Kreuzung wurde als Unfallschwerpunkt identifiziert, an dem sich zwischen 2011 und Januar 2022 elf Unfälle ereignet haben.» Am Ortseingang von Les Reussilles wird die Verkehrssicherheit durch den Bau eines Standstreifens und einer Mittelinsel sowie durch die Versetzung des Tempo-50-Schildes deutlich erhöht. Ebenfalls Teil des Projekts ist die Anpassung von vier Haltestellen des öffentlichen Verkehrs an die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes. Darüber hinaus werden Massnahmen ergriffen, um die Sichtverhältnisse auf gewissen Strassenabschnitten zu verbessern.



Ausbau von vier Kilometern Kantonsstrasse
Die Bauarbeiten auf dem rund vier Kilometer langen Abschnitt, deren Gesamtkosten sich auf rund 11 Millionen Franken belaufen, haben im Frühjahr 2023 begonnen und dauern voraussichtlich bis Ende 2029. Das Projekt wird in drei Etappen realisiert: In der bis Oktober 2024 laufenden ersten Etappe zwischen Mont-Tramelan und der jurassischen Grenze wird auch die Kreuzung der Route du Mt-Crosin in einen Kreisel umgewandelt. Mit dem Einbau des Fahrbahnbelags für die gesamte erste Etappe in diesem Herbst wird dieser Abschnitt fertiggestellt.
Die zweite Etappe von Frühjahr 2025 bis Herbst 2027 umfasst neben dem Bau des Velostreifens auch den Bau von Bodenwellen im steilsten Strassenabschnitt, um die Fahrzeuge in Mont Tramelan von 80 auf 60 km/h zu verlangsamen. Zudem entsteht eine Viehunterführung, die von den Begünstigten und dem Amt für Landwirtschaft und Natur finanziert wird.
In der dritten Etappe, die von April 2028 bis Oktober 2029 dauern wird, ist auch der Bau einer verkehrsberuhigenden Einrichtung (von 80 auf 50 km/h) am Eingang von Les Reussilles vorgesehen.


Gut aufgestellt für die Zukunft
Obwohl es sich um ein Standardbauprojekt handelte, gab es einige Herausforderungen. «Einen Kompromiss für die Strassenbreite zu finden, der den Ansprüchen der verschiedenen Verkehrsteilnehmer gerecht wird, und die Sichtprobleme waren Aspekte, die gut überlegt sein wollten», erzählt Cédric Latscha. Die Zusammenarbeit mit den Landwirten, die Land abtreten und ökologische Ausgleichsmassnahmen sowie Gräben und Mulden für die Versickerung des Wassers dulden müssen, ist von zentraler Bedeutung. Er ist überzeugt: «Mit der Sanierung dieses Streckenabschnitts wird die Infrastruktur für die Zukunft verbessert und gleichzeitig die Sicherheit und Effizienz des Regionalverkehrs gewährleistet.»

Wildwarnanlage Mäderen zeigt deutliche Erfolge

Ein Pilotprojekt beweist schon vor der Inbetriebnahme seinen Erfolg: Auf der rund acht Kilometer langen Strasse wurden pro Saison bisher rund 15 Kollisionen mit Rotwild registriert - höchste Zeit, etwas zu unternehmen. Der Prototyp der elektronischen Wildwarnanlage ist zwar noch in der Testphase, trotzdem haben die Kollisionen rapide abgenommen. Peter Flück vom Oberingenieurkreis I erläutert das innovative Projekt.
Die «Mäderen», wie die lange, relativ gerade Strecke zwischen Brienzwiler und Schattenhalb von den Einheimischen genannt wird, führt der Aare entlang. Hier queren die Rotwildrudel im Winter oft täglich die Kantonsstrasse. In dieser Zeit sieht man ganze Hirschrudel auf der Strasse oder am Strassenrand entlanglaufen. In den Sommermonaten halten sich die Tiere vorwiegend in den höheren Lagen auf, im Winter zieht es das Rotwild ins Tal. Der Talboden und die angrenzenden Wälder haben sich zu einem beliebten Wintereinstand bei den Tieren entwickelt.
Ein eindrückliches Bild also, wenn auf einmal 100 Tiere die Strasse säumen. «Ausgewachsene Tiere wiegen bis zu 200 Kilogramm», weiss Peter Flück, der selbst Jäger ist. Im Februar 2023 wurden in der Region über 300 Tiere gezählt. Pro Saison verzeichnet das Jagdinspektorat des Kantons Bern zwischen 10 und 15 Wildtierunfälle mit Rotwild. In den vergangenen zwei Wintern wurde die Wildwarnanlage auf der Strecke getestet, dadurch haben die Wildtierkollisionen bereits rapide abgenommen.
Gute Dinge will manchmal Weile haben
Überlegungen, die Strasse und den strategisch wichtigen Militärflugplatz Meiringen vor Wild zu schützen, gab es schon lange. Im Jahr 2007 beantragte die armasuisse Immobilien, Baumanagement Bern, die Einzäunung des Flugplatzgeländes Meiringen, da die Pisten von allen Seiten frei zugänglich waren. Nach zahlreichen Einsprachen und mehrjährigen Verhandlungen wurde das Gesuch im Jahr 2009 unter neuen Auflagen bewilligt.
Die wesentlichen Auflagen waren die Umsetzung der Ersatzmassnahmen zum Schutz der Wildtiere. Durch die Einzäunung des Flugplatzes entstand eine Barriere für das Wild, eine Unterbrechung der Bewegungsachsen verschiedener Tierarten und ein Lebensraumverlust, der nach geltendem Recht durch Ersatzmassnahmen auszugleichen ist. Der eingeschränkte Wildtierkorridor soll geschützt und die Wildtierunfälle entlang der Kantonsstrasse verringert werden. Dabei soll ein Wildwarnsystem helfen.

Der erste Standort der elektronischen Wildwarnanlage erwies sich als ungeeignet. Deshalb wurden im Jahr 2017 verschiedene Workshops durchgeführt, um einen geeigneten neuen Standort zu evaluieren. Das Ergebnis ist der jetzige Standort im Gefahrenbereich «Mäderen», wo sich die meisten Wildunfälle ereignet haben.
Herausforderungen in der Realisierung
Nachdem ein geeigneter Standort gefunden war, wurde die Strecke in vier Abschnitte aufgeteilt. Im Rahmen der Realisierung mussten zunächst Kabelrohranlagen mit dem Anschluss an das öffentliche Stromnetz zu den Signalstandorten verlegt und erschlossen werden. Im Jahr 2020 wurde der Bau der Signalstandorte mit der Verkabelung abgeschlossen.

Eine weitere Herausforderung war die Suche nach einem geeigneten Wildwarnsystem, das den besonderen Bedingungen der Strecke standhält. «Starke Winde und Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius im Winter sind keine Seltenheit und machen den elektronischen Sensoren zu schaffen», betont Peter Flück. Bei der Prüfung der möglichen Varianten (Infrarot-Korridor, Reflektoren oder Wildzaun) hat sich die statische Signalisation mit LED-Anzeigen und zusätzlicher PIR-Sensorüberwachung als beste Lösung herausgestellt. Zudem werden die bestehenden Reflektoren weiterverwendet. Das Warnsystem funktioniert auf der Basis von Bewegungsmeldern und Anzeigetafeln und dient in erster Linie der Geschwindigkeitsreduzierung. Die Bewegungsmelder reagieren, sobald sich ein Wildtier der Fahrbahn nähert oder sich in der Nähe der Sensoren aufhält. In diesem Fall wird dem Fahrzeuglenker eine Temporeduktion von 60km/h respektive 40km/h angezeigt.
Weniger Wildunfälle in der Testphase
Seit zwei Wintern wurde die Anlage im Pikettdienst getestet: Die Strecke wurde abends zwischen 21.00 und 22.00 Uhr täglich abgefahren und die manuellen Geschwindigkeitsanpassungen per Handy gesteuert. «Der Aufwand hat sich gelohnt, denn die Zahl der Wildtierunfälle ist bereits in der Testphase massiv zurückgegangen», freut sich Flück. Ziel ist es, den Betrieb im nächsten Winter zu automatisieren, so dass die Geschwindigkeitsreduzierung auf den Anzeigetafeln automatisch aktiviert wird, wenn Wildtiere von den Sensoren erfasst werden. Angesichts der Bedeutung dieses wichtigen Wildkorridors überwiegt der Nutzen der neuen Anlage die eher hohen Kosten für Anschaffung und Betrieb deutlich. An anderen Kantonsstrassen werden seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Jagdinspektorat jedoch auch einfachere, kostengünstigere Systeme zum Schutz der Wildtiere getestet, zum Beispiel mit Reflektoren auf den weiss-schwarzen Sicherheitspfosten.


Die Kantonsstrasse mitten in der Firma

Strassensanierung im Holzbetrieb: So präsentiert sich die Situation für die Mitarbeitenden der Firma OLWO AG in Worb. Die Bollstrasse von Boll nach Worb führt nämlich genau zwischen ihrem Betrieb durch. Täglich queren Mitarbeitende zu Fuss oder mit dem Stapler die Fahrbahn um Holz vom Lager in die Produktion zu transportieren oder um den Pausenraum zu besuchen, während der Verkehr weiter rollt.
Bevor mit der Sanierung begonnen werden konnte, wurde auch hier das kantonale Standardverfahren zur Beurteilung von Strassenanlagen angewendet. «Dieses gibt die Beurteilungskriterien und Indikatoren vor, um einen allfälligen Handlungsbedarf zu erkennen. Zu beurteilen sind Sicherheits- und Schutzaspekte, aber auch Themen wie Gestaltung und Einbettung der Strasse in die Umgebung», erklärt Projektleiter Michel Piller vom Oberingenieurkreis II.


Der Handlungsbedarf wurde erkannt
Die Analyse der Ist-Situation zeigt, dass das Verkehrsaufkommen auf der kurzen Strecke von 800 m relativ hoch ist. Zwischen 2013 und 2018 wurden laut Oberingenieurkreis II zehn Unfälle polizeilich registriert. Obwohl die zulässige Geschwindigkeit bereits vor Baubeginn von 60 km/h auf 50 km/h reduziert wurde, fahren viele Verkehrsteilnehmer immer noch zu schnell. Der Abschnitt wird von keinem öffentlichen Verkehrsmittel befahren und einen Velostreifen sucht man vergeblich. Die vorhandene Beleuchtung ist deutlich mangelhaft, denn sowohl die Fahrbahn (innerorts) als auch die Vorplätze sind schlecht bis gar nicht beleuchtet. Dies führt nicht nur im Winter zu gefährlichen Situationen. Die Vertreter der OLWO AG wünschen sich deshalb einen besseren Schutz vor Verkehrsunfällen für ihre Mitarbeitenden entlang der Strasse.

Sicherheit bei der Strassensanierung ist wichtig
Michel Piller, Bereichsleiter Strassenbau A im Oberingenieurkreis II, der das Projekt zur Ausführung übernommen hat, stimmt dem technischen Bericht zu. Darin wird ein hoher Handlungsbedarf festgestellt, vor allem im Hinblick auf die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden. Bauliche Querungshilfen zur Unterstützung der zu Fuss Gehenden sowie Massnahmen zur Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit würden zum Schutz beitragen. Das Sicherheitsempfinden der Verkehrsteilnehmenden muss generell verbessert werden und Velostreifen in beiden Richtungen wären wünschenswert.
Im Rahmen der Variantenuntersuchung wurden die vorgeschlagenen Massnahmen geprüft. Nach den Standards Kantonsstrassen müssten hier beidseitige Radfahrstreifen und damit eine Fahrbahnbreite von insgesamt neun Metern realisiert werden. Der dafür notwendige Platz ist aber schlicht nicht vorhanden. «Da der Velodurchgangsverkehr Richtung Worbental abseits der Kantonsstrasse geplant ist, stehen wir hier vor besonderen Verhältnissen», weiss Michel Piller.

Sanieren auf engstem Raum
Unter der Voraussetzung, dass der Platz sehr beschränkt ist und sich mindestens 85 Prozent der Autofahrenden an die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h halten, ist es vertretbar, einen Strassenquerschnitt von nur 7,5 m (pro Fahrbahnseite 3,75 m) zu realisieren und auf die Velostreifen zu verzichten. Um Auffahrunfälle zu vermeiden und das Abbiegen der Lastwagen zur OLWO AG zu erleichtern, wird eine neue Abbiegespur zur Lagerhalle erstellt. Das notwendige Land konnte von den Eigentümern einvernehmlich erworben werden, zudem beteiligt sich die OLWO AG an den Kosten für die Abbiegespur. Im Herbst 2023 wurde mit der Sanierung begonnen. Die Fertigstellung ist für Sommer 2024 geplant. Ein Jahr später wird die Deckschicht eingebaut und die Markierungen fertig erstellt. Die Projektkosten belaufen sich auf rund 3.3 Mio. Franken.
