Rund ein Fünftel der schweizerischen Fliessgewässer befinden sich im Kanton Bern. Dies bringt eine grosse Verantwortung für die beteiligten Akteure mit sich. Das Tiefbauamt des Kantons Bern (TBA) unterstützt die Gemeinden, Schwellenkorporationen und Wasserbauverbänden bei Planungen zu wasserbaulichen Massnahmen, Unterhaltsarbeiten an Fliessgewässern sowie bei Hochwasserschutz- und Revitalisierungsprojekten. Gemeinsam mit Bund und Kanton leisten diese Akteure einen wichtigen Beitrag, damit Fliessgewässer ihre vielfältigen Funktionen nachhaltig erfüllen können.
Im Kanton Bern obliegt die Wasserbaupflicht an Fliessgewässern grundsätzlich den Gemeinden. Sie erfüllen die Wasserbaupflicht entweder selbst oder können diese Aufgabe an Schwellenkorporationen oder Wasserbauverbände delegieren.
An der Aare ab Räterichsboden ist der Kanton Bern seit 2015 wasserbaupflichtig. Hier werden die Planungen und wasserbaulichen Massnahmen vom Tiefbauamt wahrgenommen. An den Fliessgewässern der I. und II. Juragewässerkorrektion ist das Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern (AWA) wasserbaupflichtig. Bei Nutzung der Wasserkraft ist die Wasserbaupflicht für Konzessionsstrecken oft dem Konzessionär übertragen.
Hinweis zum Thema Naturgefahren
Mit dem Schutz von Menschen und erheblichen Sachwerten vor Naturgefahren beschäftigen sich mehrere kantonale Fachstellen. Auf einem gemeinsamen Internetauftritt vermittelt die Arbeitsgruppe Naturgefahren wesentliche Informationen dazu.
Grundlagen
Grundlagenstudien und Konzepte dienen dem Tiefbauamt, die vielfältigen Aufgaben im Wasserbau im Umfeld aller Ansprüche von Schutz und Nutzung umfassend zu analysieren und Lösungen aufzuzeigen.
Übergeordnete Planungen sind wichtige Grundlagen für die Koordination der wasserbaulichen Planungen und Massnahmen der Gemeinden, Schwellenkorporationen und Wasserbauverbände. Sollen diese übergeordneten Planungen behördenverbindlich werden, kann der Regierungsrat einen Gewässerrichtplan erlassen. Der kantonale Richtplan enthält ebenfalls Vorgaben zu wasserbaulichen Massnahmen, die mit der Aufnahme in den kantonalen Richtplan behördenverbindlich werden (z.B. Massnahmen E_05, R_05, R_08 und R_09).
Für Gefahrenbeurteilungen sind die Gemeinden zuständig. Sie erarbeiten dazu Gefahren- und Intensitätskarten, die seit 2014 für alle Gemeinden im Kanton Bern vorliegen. Mit weiterführenden Risikoanalysen wird der Handlungsbedarf für Schutzmassnahmen aufgezeigt.
«Kantonaler Richtplan» (Website Direktion für Inneres, Justiz und Raumplanung des Kantons Bern)
«Gefahrenkarten» (Geoportalkarte des Kantons Bern)
Weitere Beispiele von Grundlagenstudien und Konzepten
Gewässerrichtpläne
Die Ansprüche an Fliessgewässer und die wasserbaulichen Aufgaben im Einzugsgebiet eines grösseren Fliessgewässers sind sehr vielfältig. Sie stehen teilweise im Widerspruch zueinander und müssen deshalb sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Für Gewässer mit erhöhtem Koordinationsbedarf sind deshalb Gewässerrichtpläne zu erarbeiten.
Die Gewässerrichtpläne werden vom zuständigen Oberingenieurkreis des Tiefbauamts zusammen mit allen am Wasserbau interessierten Stellen erarbeitet. Dabei werden die betroffenen Gemeinden und Regionen sowie weitere interessierte Stellen beigezogen. Die Bevölkerung kann ihre Anliegen im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens einbringen. Die Gewässerrichtpläne werden vom Regierungsrat erlassen und sind für Behörden verbindlich.
Die Wasserbauverordnung bestimmt 16 Gewässer, für die ein Gewässerrichtplan zu erarbeiten sind:
Mehr Informationen zum Ziel und Zweck sowie zum aktuellen Planungs- bzw. Umsetzungsstand der einzelnen Gewässerrichtpläne bietet folgende Website:
Gewässerunterhalt
Gewässer müssen unterhalten werden, damit sie ihre Funktionen als naturnaher Lebensraum und für den Schutz vor Hochwasser erfüllen können.
Unterhaltsarbeiten an Fliessgewässern bezwecken, den ökologisch wertvollen Lebensraum zu erhalten und aufzuwerten, die Funktionstüchtigkeit bestehender Schutzbauten zu erhalten und damit die notwendige Abflusskapazität für den Hochwasserfall zu gewährleisten.
Der bauliche Unterhalt umfasst Massnahmen an Schutzbauten oder Arbeiten im und am Gerinne, die in bestimmten Situationen und bei Bedarf ausgeführt werden:
- Räumungsarbeiten
- Erneuerungsarbeiten geringen Ausmasses an Wasserbauwerken
- Beseitigung von Schwemmholz und Verklausungen
- Unterhalt von reinen Uferunterhaltswegen und reinen Erschliessungswegen zu Schutzbauten
Die Grünpflege umfasst Massnahmen im und am Gerinne, die in regelmässigen zeitlichen Abständen durchgeführt werden:
- Pflege und Ersatz standortgerechter Bestockungen
- Bekämpfen gebietsfremder, invasiver Pflanzen (Neophyten)
- naturnahe Pflege von Böschungen
- Pflege der Gewässersohle
Hochwasserschutz
Hochwasser sind in vielen Gebieten des Kantons Bern möglich. Sie können Menschen, Tiere und erhebliche Sachwerte gefährden. Der Klimawandel stellt den Hochwasserschutz vor neue und grosse Herausforderungen.
Die Hochwasserereignisse der letzten Jahre zeigen, dass weiterhin nachhaltige Schutzmassnahmen notwendig sind. Für den aktiven Hochwasserschutz an Fliessgewässern sind die wasserbaupflichtigen Gemeinden und die erfüllungspflichtigen Schwellenkorporationen und Wasserbauverbände zuständig. An der Aare obliegt die Wasserbaupflicht seit 2015 dem Kanton Bern, die Arbeiten werden vom Tiefbauamt (TBA) wahrgenommen. Für die Gewässer der I. und II, Juragewässerkorrektion ist das Amt für Wasser und Abfall (AWA) zuständig. An Seen obliegt die Wasserbaupflicht dem Eigentümer oder Baurechtsinhaber des Ufergrundstücks (Seeanstösser).
Hochwasser
Von einem Hochwasser spricht man, wenn der Wasserstand bei einem Gewässer mehrere Tage lang eine bestimmte Höhe erreicht oder überschreitet, die deutlich über dem normalen Pegelstand liegt.
Ereignisse, die zu einem Hochwasser führen können sind Schneeschmelze, intensive lokale Regenfälle (Gewitter) oder lang andauernde grossräumige Regenfälle (Starkregen). Ein Hochwasser ist umso intensiver, je mehr Regen in kurzer Zeit fällt, und je mehr davon direkt abfliesst. Steigt das Hochwasser im Fliessgewässer oder See so stark an, dass es über die Ufer tritt, kommt es zu einer Überschwemmung.
Entwickelt das Hochwasser genügend Energie, um im seinem Bach- oder Flussbett Material abzutragen, kommt es zu Ufer-Erosion (seitliche Abtragung) sowie zur Sohlen-Erosion (Abtragung in die Tiefe). Vermag das fliessende Wasser ausserordentlich viel erodiertes Material in Bewegung zu setzen, entsteht ein Murgang: ein fliessfähiger, dickflüssiger Strom aus einem Gemisch von Erde, Gestein, Wasser und Holz. Ein Murgang ist dasselbe wie eine Rüfe.
Umgang mit Risiken aus Naturgefahren und integrales Risikomanagement
Die Nationale Plattform Naturgefahren (PLANAT) erarbeitet die Strategie der Schweiz im Umgang mit Risiken aus Naturgefahren.
Zum Schutz vor Hochwasser sind ganzheitliche und nachhaltige Massnahmen gefragt. Wie bei anderen Naturgefahren erfolgt der Hochwasserschutz nach den Grundsätzen des integralen Risikomanagements.
Die Massnahmen zur Steuerung der Risiken sind vielfältig und müssen optimal kombiniert werden. Dabei decken die Massnahmen die drei Phasen «Vorbeugung», «Bewältigung» und «Regeneration» ab.
Nationale Plattform Naturgefahren - PLANAT
Integrales Risikomanagement (Website Bundesamt für Umwelt BAFU)
Hochwasserschutzmassnahmen
Wo ein Gewässer Personen oder erhebliche Sachwerte ernsthaft gefährdet und die Gefahr durch Unterhalts- oder Planungsmassnahmen nicht abgewendet werden kann, sind unter Beachtung der Planungs- und Handlungsgrundsätze des Wasserbaugesetzes geeignete Massnahmen zu treffen.
Hochwasserschutz ist in erster Linie mit Gewässerunterhalt und mit Massnahmen des passiven Hochwasserschutzes zu gewährleisten. Wo dies nicht möglich ist, soll mit Massnahmen des aktiven Hochwasserschutzes das Risiko auf ein akzeptables Mass reduziert werden.
Elemente des passiven Hochwasserschutzes sind planerische und organisatorische Massnahmen wie:
- Hochwasserinformation und -warnung
- Ausscheidung von Gefahren- und Schutzgebieten in der Nutzungsplanung
- Bauverbote und Auflagen für Bauten und Anlagen
- Vorkehrungen zum Schutz einzelner Objekte
Der aktive Hochwasserschutz umfasst bauliche Massnahmen wie:
- Gerinneausbau
- Rückhaltemassnahmen
- Ableitung von Hochwasserspitzen
- Umleitung eines Gewässers (z. B. Entlastungsstollen)
- Erneuerung oder Ersatz von Schutzbauten, womöglich unter gleichzeitiger Wiederherstellung des naturnahen Zustandes des Gewässers
Einen umfassenden und noch immer aktuellen Überblick zu Strategie, Verfahren und Massnahmen des Schutzes vor Hochwasser zeigt die Wegleitung «Hochwasserschutz an Fliessgewässern» des Bundesamts für Wasser und Geologie (heute integriert in Bundesamt für Umwelt).
Revitalisierungen
Gewässer brauchen Raum, um ihre natürlichen Funktionen erfüllen zu können. Die Planung und Umsetzung von Revitalisierungsprojekten an Fliessgewässern und Seen ist deshalb von grosser Bedeutung.
Ökomorphologie der Oberflächengewässer
Im Kanton Bern sind rund 40 Prozent der Fliessgewässer stark beeinträchtigt, naturfremd oder eingedolt. Allein die eingedolten Gewässer betragen über 850 Kilometer. 60 Prozent der Fliessgewässer sind als wenig beeinträchtigt oder natürlich klassiert. Die Karte «Ökomorphologie der Oberflächengewässer» zeigt den Natürlichkeitsgrad von 6'800 Kilometer Fliessgewässer und der Seen im Kanton.
Strategische Revitalisierungsplanung
Das Gewässerschutzgesetz des Bundes (GSchG) verpflichtet die Kantone, beeinträchtigte Gewässer zu revitalisieren. Als Grundlage dazu haben die Kantone eine strategische Revitalisierungsplanung gemäss der vom Bund vorgegebenen Methode zu erarbeiten. Im Kanton Bern liegen die Ergebnisse für Fliessgewässer seit 2015 vor. Für Seen wird die strategische Revitalisierungsplanung bis 2022 erarbeitet.
Die Karte «Gewässerentwicklung» enthält umfangreiche Informationen zu den an den Fliessgewässern geplanten Massnahmen, gegliedert nach den Handlungsfeldern «Sanierung Fischwanderung», Sanierung «Schwall-Sunk», «Revitalisierungsmassnahmen» und «Sanierung Geschiebehaushalt». Für Revitalisierungsmassnahmen sind die Priorität und der Nutzen für Natur und Landschaft im Verhältnis zum erwarteten Aufwand aufgeführt.
Revitalisierungsmassnahmen
Beeinträchtigte Gewässer und Gewässerabschnitte sind nach Bundesrecht zu revitalisieren. Damit sie ihre vielfältigen Funktionen erfüllen können, sind sie mit Revitalisierungsmassnahmen aufzuwerten und in einen möglichst naturnahen Zustand zurückzuführen.
Die Pflicht zur Revitalisierung beeinträchtigter Fliessgewässer und Seen gehört wie der Gewässerunterhalt und der Hochwasserschutz zur Wasserbaupflicht. Diese obliegt den Gemeinden und den von ihnen beauftragten Schwellenkorporationen und Wasserbauverbänden. Für Revitalisierungen der Aare ist seit 2015 der Kanton Bern zuständig.
Projekte beinhalten Revitalisierungsmassnahmen wie:
- Ausdolen von kleinen Gewässern
- Verbessern der Fischgängigkeit durch das Entfernen von Querbauwerken
- Schaffen von Kleingewässern
- Aufweiten des Gerinnes und Mäandrierung durch natürliche Strukturen
- Erstellen und Vernetzen von gewässernahen Lebensräumen
- Quervernetzung
- Zugänglichkeit für Mensch und Tier
Wirkungskontrollen
Zu den Revitalisierungsprojekten werden Wirkungskontrollen durchgeführt. Die realisierten Massnahmen werden dabei auf ihre langfristige Wirkung geprüft. Die Resultate und Erfahrungen sollen in zukünftige Projekte einfliessen. Im Kanton Bern werden die Wirkungskontrollen vom Amt für Landwirtschaft und Natur (LANAT), Fischereiinspektorat/Renaturierungsfonds durchgeführt.